Entfremdung - Wieso dich dein Job krank macht.

Hast du manchmal das Gefühl dich in deinem Leben zu verlieren? Nirgends mehr richtig dazu zugehören? Nur noch hinterherzuhetzen und dich fremd zu fühlen?

Wenn wir viel unter Stress stehen, Arbeit zu tun haben, die uns wenig Sinn gibt und wir nicht spüren, dass wir gut aufgehoben sind an dem Platz an dem wir uns im Leben befinden, dann fühlen wir uns entfremdet.

Entfremdet im Sinne, dass eine Verbindung die bestanden hatte, nicht mehr existiert. Dass etwas vorher vertraut war und jetzt fremd geworden ist.

Für viele Menschen entsteht dieses Gefühl am Arbeitsplatz. Es ist wie eine schleichende Epidemie die sich im Inneren ausbreitet. Man hat das Gefühl nicht mehr richtig Anschluss zu haben, es wird durch die Arbeit immer mehr Kontrolle und Maßregelung ausgeübt, es ist immer mehr ein roboterhaftes Arbeiten, da Eigenes nicht mehr eingebracht werden kann.

All das macht uns krank. Es macht die Seele krank und damit auch den Körper. Eines zieht das andere nach sich. Wir können nicht auf Dauer in einem Arbeitsverhältnis gesund bleiben, in dem wir das Gefühl haben immer mehr entfremdet zu sein.

Bildquelle: Photo by Andrew Wulf on Unsplash

Höher, schneller, weiter ist die Devise

Leider ist unsere geschäftliche Entwicklung auf Effizienz ausgerichtet, auf Erfolg, auf Kapital schaffen. Was dabei verloren geht, ist das Miteinander, die Menschlichkeit, das was uns ausmacht.

Die Kliniken füllen sich immer mehr mit Menschen, die diesen Zustand nicht mehr aushalten. Diese Entfremdung nicht mehr aushalten.

Die Empfindsamen erwischt es zuerst, wie das ein Klinikleiter mal in einem Gespräch ausgedrückt hat. Sie sind gewissermaßen die Vorhut einer Entwicklung, die uns aufrütteln sollte.

Inzwischen sind seelische Gründe an 3. Stelle gerückt der Häufigkeit der Krankheitsfälle. 15,2 % aller Krankschreibungen geschehen aufgrund seelischer Erkrankungen durch den Arbeitsplatz. 15 %! Irgendwie scheinen wir das alle hinzunehmen, als etwas das halt jetzt so ist.

Doch für mich ist das eines der größten Alarmsignale das seit Jahren zu sehen ist. Ein immer steigender Faktor für Frühverrentung sind ebenfalls seelische Erkrankungen. Hier ist das Durchschnittsalter der Antragsteller erst 50 Jahre!

Was brauchen wir eigentlich noch um zu erkennen, dass unser jetziges Verständnis von Arbeit und wie Arbeitsplätze gestaltet sind, krank macht?

Konkurrenz ist der heilige Gral

An vielen Arbeitsplätzen nimmt die Kontrolle immer mehr zu. Es ist immer weniger möglich Individualität einzubringen, sich als Mensch einzubringen.

Das große Credo ist der Wettbewerb und gegenseitig zu konkurrieren. Da werden in Unternehmen Zielvereinbarungen in verschiedenen Abteilungen erstellt, die sich gegenseitig niemals erreichen lassen, sondern immer nur die einen auf Kosten der anderen.

Es wird die Konkurrenz in den Unternehmen gefördert und dabei bleibt immer mehr auf der Strecke, was uns Menschen ausmacht: Die Menschlichkeit und Mitgefühl

Wie Gerald Hüther sagt, haben wir die falsche Theorie für ein gesellschaftliches Leben. Es werden Einzelkämpfer heran gezüchtet, die sich gegen die Konkurrenz durchsetzen und einen Erfolg nach dem anderen anvisieren.

Was uns jedoch ausmacht und gesund erhält, seelisch wie auch körperlich, ist das genaue Gegenteil. Wir Menschen brauchen langfristig stabile Situationen in der Arbeit. Kleine Teams, die zusammen arbeiten und gemeinsam Lösungen finden. Kooperieren statt in Konkurrenz zu gehen. Dort wo das möglich ist, bleiben Menschen gesund. Da dies im Einklang mit unserem Wesen steht.

Entfremdung – das System ist krank, nicht der Mensch

Solange wir auf diesem Weg weitergehen und nur Wachstum im Sinn haben, werden wir immer mehr kranke Menschen erleben. Das System ist krank. So wie wir es geschaffen haben. Es führt Menschen in ein Leben, in dem sie ihre Bedürfnisse über Konsum füllen.

Es wird eine Welt geschaffen, in der ständig das Gefühl vorherrscht, dass mir etwas fehlt. Wie könnte ich dieses Loch in meinem Inneren füllen? Na, da weiß die Werbung mir schon was vorzuschlagen und Menschen kaufen, kaufen, kaufen. Konsum soll uns glücklich machen, es soll dieses diffuse unglücklich fühlen auslöschen.

Ständiger Wachstum erfordert ständigen Konsum. Wenn Menschen aufhören würden diese Massen an Dingen anzuhäufen und sich wieder damit beschäftigen was ihnen wirklich fehlt, würde das System zusammenbrechen.

Daher braucht das kapitalistische System unglückliche Menschen, denn diese halten diesen unseligen Kreislauf in Gang.

Du bist Teil einer Matrix…

Sich dem zu entziehen ist gar nicht so einfach. Es hat tatsächlich etwas von der Matrix. Da wir wie unter einer Glasglocke unser Leben leben. Wir treffen täglich die gleichen Menschen, machen die gleiche Arbeit, lassen uns von den gleichen Medien berieseln.

Im Urlaub ersetzen wir die eine Landschaft durch eine andere. Vielleicht Meer, vielleicht Berge, doch auch dann führen wir meistens ein Konsumleben. Wir kommen mit vollen Koffern heim vom Shoppen und Souvenirs sammeln, tausend Bilder auf dem Smartphone mehr, braune statt blasse Haut und dann geht’s wieder weiter mit dem gleichen Leben.

Wer sich von dieser Matrix tatsächlich verabschieden möchte, bei dem braucht es oft den Holzhammer. Diese Momente in denen nichts mehr geht, in denen man zusammenbricht, es nicht mehr schafft mitzuhalten, der Körper die Bremse zieht und man nicht mehr in der Lage ist dieses Arbeitsleben aufrecht zu erhalten.

In den psychosomatischen Kliniken in denen diese Menschen Hilfe suchen, werden sie auf ihrem steinigen und langsamen Weg zurück ins Leben damit konfrontiert, was das Kranke an dieser Welt ist. Was so menschenunwürdig an dieser Art des Arbeitslebens ist und dass es kein Wunder ist, wenn man das nicht mehr schafft.

Das Gefühl versagt zu haben, ein Looser zu sein, ist allgegenwärtig. Doch das allein ist so ein falscher Gedanke. Nicht die Menschen, die es nicht mehr schaffen in diesem System mitzuhalten sind die Versager, das System das uns dieses Leben aufzwingt, ist zutiefst krank.

Kontrolle macht krank

Wer selbständig ist hat tatsächlich große Chance nicht in dieses Hamsterrad hinein zugeraten. Natürlich gibt es auch in diesem Bereich viele Situationen die einen überfordern und klar gibt es auch hier das Phänomen des Burnout. Doch weitaus weniger, da es einen großen Unterschied gibt.

Wer selbständig ist, unterliegt keiner Kontrolle von außen. Das ist es was an vielen Arbeitsplätzen dermaßen überhand genommen hat. Nicht mehr nur die klassischen Callcenter Arbeitsplätze werden kontrolliert und mit Kennzahlen ausgewertet, auch andere Arbeitsplätze werden immer mehr in das pervertierte Qualitätsmanagement einbezogen.

Qualitätsmanagement an sich ist wieder mal wie elektrischer Strom. Es ist an sich neutral. Doch genauso wie ich mit Strom mir auf dem Herd ein Ei machen kann oder jemanden auf dem elektrischen Stuhl umbringen kann, ist das auch die Frage beim Qualitätsmanagement.

Wenn es dazu eingesetzt wird, Möglichkeiten der Verbesserung aufzuzeigen, die allen zu Gute kommt, dem Kunden und den MitarbeiterInnen, dann ist das eine super Sache.

Wird es jedoch dazu genutzt, um Arbeitsplätze gleichförmig zu schalten und Druck aufzubauen, dann geht das in eine kranke Richtung.

Es wird vorgeschrieben, wie viel Kundenkontakte man täglich haben muss, eine Kassiererin muss so und soviel Gegenstände in der Minute über die Kasse jagen (ja das wird gemessen und das ist nur die Spitze vom Eisberg), es wird eine vorgegebene Zahl an Vertragsschlüssen verlangt, die mindestens im Monat erreicht werden muss usw.

All das im Namen des ständigen Wachstums. So lange das unser einziger Maßstab ist, werden wir in eine immer kränker werdende Gesellschaft steuern.

So lange die Konkurrenz das Modell ist, das gefördert wird, haben wir ganz schlechte Karten.

Das Wesentliche geht verloren

Wir verlieren immer mehr die Menschlichkeit aus den Augen. Doch das ist es was wir brauchen, um ein gesundes und gelingendes Leben führen zu können.

Wir müssen spüren, dass wir in menschlichen Arbeitsumgebungen arbeiten können.

Für mich eine perverse Entwicklung sondersgleichen:
Wir denken ernsthaft darüber nach, Pflegeroboter einzusetzen. Wir wollen allen Ernstes, alten Menschen zumuten sich von nichtmenschlichen Maschinen versorgen zu lassen.

Würden wir das für unsere Kinder wollen? Ich glaube, das gäbe einen Aufschrei ohne Ende. Aber alten Menschen kann man das ja zumuten.

Für mich ist eine unfassbare Entwicklung. Menschen am Ende ihres Lebens, wenn sie ihre leistungsstarken Jahre hinter sich haben und praktisch keinen Wert mehr schaffen können im Sinne des Wachstumsgesetzes, dann reichen auch Maschinen um sie zu versorgen.

Allein die Tatsache, dass wir diese Entwicklung eher neugierig oder ohne recht darüber nachzudenken akzeptieren, weist für mich auf den Zustand unserer Gesellschaft hin.

Was hat wirklich Wert?

Pflegearbeit hat den niedrigsten Wert in unserer Gesellschaft. In anderen europäischen Ländern sieht das oft anders aus. Doch hier bei uns wird Pflegearbeit schlecht bezahlt, es sind Arbeitsbedingungen die horrormäßig sind und doch wird nicht wirklich etwas daran geändert.

Menschen die mit Menschen arbeiten, sei es als Pflegende in Krankenhäusern, Altenheimen, KindergärtnerInnen und LehrerInnen sollten die wertvollsten Berufe überhaupt sein.

Wieso sind sie das nicht? Weil sie keinen Wert schaffen. Sie sind nicht effizient im Sinne von Leistung. Sie füttern nicht die kapitalistische Maschine, dieses Monster, das am Leben erhalten werden muss.

Wir müssen endlich aufwachen. All das führt zu immer mehr Entfremdung. Was an den Arbeitsplätzen geschieht, wird mit nach Hause genommen. In Beziehungen herrscht immer mehr die Denke, ach, vielleicht lerne ich ja jemand noch Besseren kennen oder das ist mir hier alles zu schwierig, ich sollte mir jemand anderen suchen.

Wir driften auseinander. Immer mehr. Verbindungen sind fragiler geworden und nicht mehr tragfähig. Menschen fühlen sich immer mehr isoliert, die Selbstmordraten steigen, Depressionen und seelische Erkrankungen bei Kindern nehmen sprunghaft zu.

All das weil wir uns eine Welt geschaffen haben, die immer höher, schneller, weiter will, Konkurrenz fördert und Leistung das Maß aller Dinge ist.

Es gilt innezuhalten und aus der Matrix auszusteigen. Die Matrix als solche wahrzunehmen und was sie mit uns macht.

Solange wir mitmachen und dem Konsum frönen, Arbeitsbedingungen nicht in Frage stellen, auf Konkurrenz geeicht sind und die Menschlichkeit in unserer Arbeit immer mehr verlieren, werden wir insgesamt verlieren.

Entscheidung für die Menschlichkeit

Für mich hat dieses Thema vor einigen Jahren einen radikalen Schnitt bedeutet. Ich hab viele Jahre für die Industrie gearbeitet im Bereich der Prozessoptimierung. Kaizen-Gruppen aufgebaut und Abläufe mit den MitarbeiterInnen zusammen auf den Prüfstand gestellt.

Doch vor einigen Jahren wurde mir bewusst, dass sich meine Arbeit gewandelt hatte. Nicht unbedingt meine Arbeit, doch was daraus gemacht wurde und zu welchem Zweck sie eingesetzt wurde. Ich trug nicht mehr zu einer Verbesserung für die Menschen bei – MitarbeiterInnen und KundInnen – sondern ich war teil der Beschleunigung geworden.

All meine Workshops hatten für mich immer zum Ziel, dass man gemeinsam Lösungen findet, um bessere Arbeitsbedingungen zu schaffen, die es ermöglich gute Qualität mit weniger Anstrengung und mehr Vorteilen für die Kunden zu schaffen.

Mein Credo war immer: Die MitarbeiterInnen sind König, nicht der Kunde. Wenn die MitarbeiterInnen zufrieden sind, dann werden sie auch viel eher den Kunden gern zufrieden machen.

Doch meine Arbeit wurde irgendwann pervertiert. Es ging nur noch um noch schneller werden, Prozesse zu verkürzen, doch die gewonnene Zeit nicht für die Mitarbeiter positiv zu nutzen, sondern gleich noch mehr Arbeit auf sie abzuladen.

Das gipfelte dann irgendwann in einer Firma, in der ich nicht mehr weitermachen konnte. Ich sah was den MitarbeiterInnen aufgebürdet wurde. Jede Optimierung war wie ein Fluch, der die Arbeit und den Druck noch mehr werden ließ.

Ich hab mitten im Projekt aufgehört. Es gab keine Möglichkeit den Eigentümer des Unternehmens von meiner Sichtweise zu überzeugen. Im Gegenteil, das einzige Maß war die Leistung. Jeder hatte zu spuren. Auch ich. Obwohl ich keine Angestellte war, sondern eine externe Beraterin.

Diese Entscheidung zu treffen, war ein natürlicher Schritt für mich. Doch so einfach wie sich das jetzt anhört, war es keineswegs. Vor allem, weil ich allein auf weiter Flur war mit meinem Denken. Die zwei einzigen Personen die eine ähnliche gedankliche Richtung verfolgten wie ich, haben wenige Zeit später das Unternehmen ebenfalls verlassen.

Woran ich ein gesundes Unternehmen messe

Zwei der Messinstrumente die für mich wichtig waren und dessen Kennzahlen ich immer wissen wollte, war der Krankenstand und die Fluktuation. Ob ein Projekt von mir gelungen war oder nicht, habe ich an diesen Kennzahlen für mich gemessen. Der Krankenstand musste weniger werden. Was auch in fast allen meinen Aufträgen der Fall war.

Menschen werden krank, wenn sie sich entfremdet fühlen in der Arbeit. Natürlich mag es einen gewissen Prozentsatz geben, der krank macht ohne krank zu sein, doch das ist ein verschwindend geringer Teil. Der Hauptteil ist krank, weil er krank ist.

Bei dieser letzten Firma war nichts zu machen. Der Krankenstand war hoch und blieb hoch. Ein weiteres Signal dafür, dass meine Arbeit nicht dazu beitrug, die Umstände und das Umfeld an diesen Arbeitsplätzen für die MitarbeiterInnen zu verbessern.

Die zweite Kennzahl ist die Fluktuation. Menschen sehnen sich nach stabilen Beziehungen. Privat genauso wie im Arbeitsleben. Wir verbringen weitaus mehr Zeit in der Arbeit als in unseren Partnerschaften. Daher ist dieses Umfeld auch so sehr wichtig.

Wenn die Fluktuation gering ist, dann ist das ein Zeichen dafür, dass das Unternehmen viel richtig macht. Natürlich gibt es branchentechnische Unterschiede, doch in jeder Branche gibt es Durchschnittszahlen bei der Fluktuation und wer es schafft, regelmäßig drunter zu bleiben, hat damit den Beweis, dass es hier gelingt Stabilität zu schaffen.

Lasst uns aufwachen und diese Matrix erkennen. Menschen sind nicht dafür geschaffen, dass sie in ständiger Konkurrenz miteinander stehen. Wir brauchen stabile und verlässliche Beziehungen und ein Arbeitsumfeld in dem wir als Menschen wahrgenommen und behandelt werden.

Was sind deine Erfahrungen damit? Wo erlebst du Entfremdung?

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