Briefe schreiben

Wann hast du das letzte Mal einen Brief geschrieben? So richtig mit Stift und Papier. Du kannst dich gar nicht mehr erinnern? Na dann wird’s aber Zeit.

Ernsthaft, mein Ziel ist es dich mit diesen Zeilen dazu zu bringen, wieder Briefe zu schreiben.

Es gibt nur noch wenige Anlässe, bei denen Briefe und Karten geschrieben werden. Todesfälle sind so ein Beispiel. Kondolenzkarten werden oft noch mit der Hand geschrieben. Ansonsten schickt man vielleicht zwei Zeilen mit einem Geburtstagsgeschenk mit und das war’s dann meistens schon.

Der Schnappschuss aus dem Urlaub auf’s Handy geschickt, hat die Postkarte schon lang ersetzt.

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Briefe verbinden auf eine ganz eigene Art

Doch was mir bewusst geworden ist, als ich im Nachlass meiner Mama buchstäblich hunderte von Briefen gefunden habe, ist, dass Briefe eine ganz andere Art von Verbindung herstellen.

In unserer instant Zeit, in der beim Senden einer eMail schon gleichzeitig das Benachrichtigungsglöckchen auf der anderen Seite scheppert, nimmt sich kaum mehr jemand die Zeit seine Gedanken zu formulieren. Ihnen eine Form zu geben.

Beim Briefe schreiben geht das automatisch viel langsamer. Vor allem – und das sollte man unbedingt – wenn man sie mit der Hand schreibt.

Meine Mama war eine fleißige Briefschreiberin wie viele ihrer Generation. (Sie war Jahrgang 1934) Es war das normale Verbindungselement vor dem Telefon. Sie hielt brieflichen Kontakt mit Freundinnen und früheren Arbeitskolleginnen über eine Zeitspanne von mehr als 60 Jahren. Auch mit ihrer Familie und Geschwistern war sie in regelmäßigem Briefkontakt.

Diese Art der Kommunikation lässt sich mit kaum etwas aus unserer Zeit vergleichen. SMS, Messenger, eMail, direct messages in all den sozialen Netzwerken sind alle für ein hin und her gedacht, das schnell funktioniert.

Wieso solltest du daher zu so einem alten Medium zurückkehren? Weil es etwas Besonderes ist, einen Brief zu erhalten. Wir erwarten im Briefkasten Rechnungen, Werbung, sachliche Schreiben, doch ein persönlicher Brief sticht sofort heraus.

Jemand hat sich Zeit genommen, hat sich hingesetzt, hat sich schönes Briefpapier besorgt oder eine schöne Karte, hat sich Gedanken gemacht, diese formuliert und sie aufgeschrieben. Dieser Jemand hat dann die Adresse auf den Umschlag geschrieben und vielleicht sogar eine schöne Briefmarke ausgesucht, bevor der Brief eingeworfen worden ist.

Persönliche Briefe haben inzwischen Seltenheitswert. Die Briefe die meine Mama bekommen hat, sind ein Spiegel der Briefe, die sie wohl selbst geschrieben hat. Da wurde von persönlichen Begebenheiten berichtet, von Sorgen in der Familie und im eigenen Leben, was interessantes in der Stadt passiert ist, welche Gedanken man sich über die Zukunft macht und wie die Kinder gedeihen.

Es ist keine Aneinanderreihung von Fakten, sondern wie ein Gespräch, bei dem man nur eine Seite mitbekommt. Da zwischen den Briefen immer einige gewisse Zeit vergangen ist, Wochen und manchmal Monate, war es wie ein Abriss der vergangenen Zeit.

Briefe schreiben = Gedanken Form geben

Dieses beteiligen und sich interessieren für das Leben der anderen, hat mich immer schon sehr berührt. Ich selbst hab auch noch viele Briefe, die ich in meinem Leben bekommen habe.

Handgeschriebene Worte hatten für mich schon immer eine große Bedeutung. Wer schreibt, denkt. Im Schreiben sind wir nicht so schnell wie im Kopf und daher ist es immer ein Abwägen und Überlegen, wie sich die Gedanken am besten formulieren und ausdrücken lassen.

Die gerade verwendeten Wörter zeigen sehr schön auf, dass Schreiben eine Form des Gestaltens ist. Man gibt den Gedanken durch Wörtern und Sätzen eine Form, es ist ein Ausdruck des eigenen Inneren.

Briefe sind oft wie Kurzgeschichten, kleine Bücher, die verschiedenste Geschichten erzählen. Meine Mama hat alle Karten, die ich ihr zum Muttertag geschrieben, aus der Ferne geschickt, zum Geburtstag und zu Weihnachten geschrieben habe, aufgehoben.

Briefe von Freundinnen hat sie in Schachteln gesammelt, fein säuberlich mit einem hübschen Bändchen verknüpft. Darin enthalten ist ein ganzes Leben. Oft hat meine Mama diese ihr so lieben Menschen jahrelang nicht gesehen. Sie ist in Passau am letzten Zipfel von Deutschland gelandet und die meisten waren viel zu weit weg, als dass man sich hätte regelmäßig treffen können.

Mich hat das immer schon fasziniert. Ich hab als Kind meine Mama oft gesehen, wie sie ihre Briefe geschrieben hat. Mit ihrem Füller, dem Briefpapier, vorbereiteten Umschlägen und dem Adressbuch.

Es war ein wichtiges Ritual für sie.

Warum du wieder Briefe schreiben solltest

Warum ich dir das alles erzähle, hat einen Grund. Es tut uns selbst gut, wenn wir in dieser sich selbst überholenden Zeit immer wieder Inne halten. Briefe schreiben ist ein natürliches Innehalten, weil das nichts ist was man in 5 Minuten und nebenbei erledigt.

Dafür braucht es Zeit und Ruhe. Einen Platz an dem man gern sitzt. Briefpapier und Stifte, mit denen man gern schreibt. Es lässt sich einfach anfangen, in dem man in Geburtstagskarten mehr schreibt, als “Herzlichsten Glückwunsch zum Geburtstag und alles Gute für das neue Lebensjahr!”

Schreib doch mal auf, an was du dich im vergangenen Jahr gern erinnerst mit diesem Menschen, was du ihm persönlich, im Beruf und für das kommende Jahr wünscht. Was du in ihm oder ihr siehst und warum dir dieser Mensch am Herzen liegt.

Zu lesen, dass man von anderen gemocht und wertgeschätzt wird, ist etwas anderes, als es gesagt zu bekommen. Das ist auch wunderbar, keine Frage! Doch etwas immer wieder lesen zu können, hat eine andere Qualität.

In meinen dunkelsten Zeiten lese ich mir immer wieder durch, was mir andere geschrieben haben und vergieße Tränen darüber. Freudentränen, da ich mit Hilfe dieser Zeilen immer wieder die Verbindung spüre, die ich mit diesem Menschen habe oder hatte. Das hatte bezieht sich auf Menschen, die nicht mehr unter uns weilen.

Ich hab auch jetzt noch Zeilen von meiner Mama auf meinem Eßzimmertisch stehen, die sie mir mal als Aufmunterung geschrieben hatte. Auch wenn ich sie jetzt nicht mehr sehen oder sprechen kann, kann ich ihre Zeilen lesen und spüren, wie die Liebe immer noch da ist.

Briefe überdauern uns. Sie können wie Zeitzeugen sein, auch wenn die Schreibenden schon lang tot sind.

Sei vorbereitet

Briefe schreiben kann man zu vielen verschiedenen Gelegenheiten. Und letztlich braucht es gar keine äußere Gelegenheit dazu. Denn ein Brief der einfach so im Postkasten landet, kann die schönste Überraschung sein.

Was hilft, ist vorbereitet zu sein. Hübsche Karten finden sich in vielen Läden. Besonders Briefpapier macht das Schreiben eines Briefes auch zu einer rituellen Angelegenheit. Ich liebe es in diesen Papierläden zu stöbern. Es gibt so viele wunderschöne Briefbögen, dass man sich kaum entscheiden kann.

Für mich selbst spielt das Schreibgerät ebenfalls eine große Rolle. Meine Mama schrieb ihre Briefe ausschließlich mit Füller und genauso mach ich das auch.

Zu meinem 25jährigen Firmenjubiläum hab ich von meinem Lieblingsmenschen einen Mont Blanc Füller geschenkt bekommen. Etwas, was ich immer schon haben wollte. Dieser Füller ist mein größter Schatz und liegt immer am Esszimmertisch bereit, um zum Einsatz zu kommen.

Als Kind und Jugendliche hab ich schöne Briefpapiere gesammelt. Überall wo ich über einen schönen Briefblock gestolpert bin und es das Taschengeld noch hergab, hab ich einen mitgenommen. Und so hab ich auch heute noch ein ganz schönes Lager an verschiedensten Briefpapieren.

Fang einfach an!

Doch kommen wir zurück zu dir. Wann hast du das letzte Mal jemandem einen Liebesbrief geschrieben? Oder einen Brief an eine langjährige Freundin/Freund?

Wieso nicht heute machen? Schreib doch einfach mal auf, was du an diesem Menschen so sehr magst. Warum du gern mit ihnen Zeit verbringst, warum dir ihre Meinung wichtig ist, über was du nur mit ihnen lachen kannst, wofür du ihnen dankbar bist und was du ihnen von Herzen wünscht.

Vielleicht ist es nicht so leicht hinein zu kommen, doch du wirst merken, wenn du mal angefangen hast zu schreiben, dann fließen die Worte immer mehr aus dir heraus. Es wird dir selbst so gut tun, all das schriftlich festzuhalten. Denn es ist gleichzeitig für dich ein Testament dessen was du fühlst. Du fasst die Verbindung von euch beiden in Worte.

So ein Brief kann zu einem großen Schatz werden im Leben eines anderen Menschen. Schwarz auf weiß vor sich zu haben, wieso man geliebt, geschätzt und wichtig ist für jemanden, berührt zutiefst. Du kannst damit dem anderem Menschen etwas schenken, was er oder sie vielleicht noch nie in ihrem Leben bekommen haben.

Briefe können diese Verbindung beschreiben und sichtbar machen. Worte zu wählen die das ausdrücken, was man vermitteln möchte, kann wie eine filigrane Handarbeit sein. Manchmal ringt man nach dem richtigen Wort, manchmal fliegt es einem zu.

Stell dir umgekehrt vor, dass du so einen Brief bekommst. In dem du liest, wieso du jemandem so am Herzen liegst, was dieser Mensch so sehr an dir schätzt, wieso du wichtig bist in seinem oder ihrem Leben.

Wie du Briefe schreiben kannst

Wir Menschen brauchen das Gefühl, dass wir zugehörig sind. Auch wenn wir gern Zeit allein haben mögen und gern für sich sind (und ich rufe da als erstes hier) brauchen wir das Gefühl, dass wir nicht allein auf der Welt sind. Dass es Verbindungen gibt, die uns Halt geben können. Mit Briefen kannst du diese Verbindung ganz anders würdigen.

Wenn du Kinder hast, kannst du ihnen Briefe schreiben, in dem du von deiner Geschichte vor ihnen erzählst, was du im Leben gelernt hast und was du ihnen davon mitgeben möchtest. Vor allem an Scheidepunkten, wie einem Auszug, Weggang zum Studium, Gründen einer Familie kannst du mit einem von Herzen kommenden Brief diese Veränderung honorieren und begleiten.

Als Elternteil kannst du für deine Kinder Briefe schreiben an jedem Geburtstag und sie ihnen wenn sie 18 sind gesammelt überreichen. Erzähle in jedem Brief von diesem einen Lebensjahr. Was darin geschehen ist, wie sie die Welt erobert haben und was es Besonderes gab. Du kannst diese Briefe in Etappen schreiben. Das muss nicht am Stück geschehen. Jeden Monat ein paar Zeilen im Jahresbrief ergänzen, kann auch für dich ein wunderbares Ritual sein um alles Revue passieren zu lassen.

Diese Briefe können eins von den wertvollsten Dingen sein, die du deinen Kindern schenken kannst. Ihr Leben aus deiner Sicht.

Als letzten Gedanken möchte ich dir noch Jahresbriefe mitgeben. Das ist eine ähnliche Idee wie gerade eben, nur dass du dein persönliches Jahr resümierst. Du kannst diese Briefe vervielfältigen und an Familienmitglieder schicken. Das ist etwas ganz anders als eine eMail hier und da und ein paar Telefonate.

Briefe geben dir die Möglichkeit zum Reflektieren. Du kannst durch das Schreiben eintauchen in das, was du dazu denkst. Hast Zeit die richtigen Worte zu finden und musst dich nicht hetzen.

Das alles macht Briefe schreiben zu einem wunderbaren Mittel mit anderen in Kontakt zu bleiben. Du kannst dadurch andere anstecken, sich ebenfalls hinzusetzen und wieder Briefe zu schreiben.

Manche Briefe die ich bekommen habe, werde ich wohl mein Leben lang aufheben. Sie sind mir so wertvoll und ich wäre sehr traurig, wenn ich sie nicht mehr hätte. Vor allem von den Menschen, mit denen keine Verbindung mehr möglich ist.

Daher such dir jetzt jemandem aus, dem du schon lange mal etwas Liebes sagen wolltest. Nimm dir schönes Papier und schreib es auf. Lass dir Zeit und mach in Ruhe. Spür in dich hinein, wie du das am besten formulieren möchtest und freu dich schon beim Schreiben über die Freude, die du der anderen Person damit schenken wirst.

Wem schreibst du als erstes? Erzähl mir doch davon unter info@wissensagentur.net

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