Wenn jemand scheitert, erlebt er das Paradox eines Endes und Anfangs zugleich. Nur dass das Ende eine unvorhergesehene Sackgasse darstellt und der Anfang keineswegs freiwillig sondern erzwungen ist. Und trotzalledem muss es ja irgendwie weitergehen, doch mit welchem Ziel und ohne Plan?
Scheitern ist zutiefst persönlich. Es trifft uns im wahrsten Sinne des Wortes mitten im Kern. Alles was bisher galt, ist außer Kraft gesetzt. Die Zukunft die einem vor Augen war, liegt zerschellt wie ein Spiegel auf dem Boden.
Im Scheitern begegnen wir unseren tiefsten Ängsten. Sind erstarrt in der Ohnmacht und Hilflosigkeit die sich breit macht. Alles Schönreden, wie “du wirst sehen, es ist das beste so” oder “jetzt kannst du nochmal neu anfangen” vielleicht noch mit einem nachgeschobenen “ist doch toll…” verstört viel mehr als es auch nur nützen würden. Denn was soll ich denn sehen oder beginnen, wenn meine Welt in Trümmern liegt?
Der erste Schritt um aus dem Chaos herauszukommen, besteht für mich in einem Annehmen der Situation. Es ist wie es ist und grad lässt sich auch nicht wirklich was daran ändern. Auch die damit verbundenen Gefühle anzunehmen, wie Trauer, Wut, Hilfslosigkeit, Angst und was sich in dem Cocktail noch so befindet ist ein wichtiger Akt. Denn sie wegzuschieben, macht sie nur noch größer als kleiner.
Und auch wenn ich in meinem vorherigen Beitrag über den Beschluss glücklich zu sein geschrieben habe, dürfen wir doch nicht vergessen, dass uns das Leben immer wieder Tiefschläge präsentieren wird. Ob wir das nun wollen oder nicht.
Der wichtige Unterschied besteht im Umgang mit diesen Situationen. Wir werden mit den schmerzlichsten Momenten in unserem Leben dann am ehesten klar kommen, wenn wir unsere Emotionen weder verniedlichen noch künstlich dramatisieren. Die Kunst besteht darin, sich dem wahren Gefühl anzunähern. Die Traurigkeit zuzulassen und auszuhalten, die Hilflosigkeit als Panik aufsteigen zu fühlen und nicht davon zu laufen.
Wenn Sie sich so immer wieder Stückchen für Stückchen sich selbst annähern und sich Zeit lassen, Ihr Scheitern anzunehmen, werden Sie letztendlich gestärkt daraus hervorgehen. Auch wenn das in den Momenten, in denen alles zerbrochen ist, unendlich weit weg erscheint.
Die Gewissheit Tiefschläge gemeistert zu haben, kann uns stärken. Es macht es nicht unbedingt einfacher oder das Gefühl wird deswegen nicht weniger unangenehm sein, doch wir wissen zumindestens aus unserer Erfahrung heraus, dass wir es überstehen werden. Dies stellt einen enorm wichtigen Lernprozess dar: Zu wissen, man schafft es aus eigener Kraft. Und das ist etwas das uns niemand nehmen kann. Darin steckt die wahre Chance des Scheitern. Lernen damit umzugehen und diese Fähigkeit in uns zu integrieren.
Wie gehen Sie mit dem Thema um? Ich freue mich sehr auf Ihre Antworten.
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Einen wunderschönen guten Tag!
Äußerst bereichernde Texte…
Ich halte es so, dass ich mich nach einem Tiefschlag meiner Trauer, meiner Enttäuschung bewusst hingebe – jedoch nur für kurze Zeit. In dieser Phase suche ich das Gespräch mit Freunden, hole mir Trost & Rat ein. Hernach wandle ich meine negativen Emotionen in Energie um, erstelle Listen, Mind Maps und/oder Schemata, recherchiere, beschaffe mir Informationen & schaffe so eine neue Basis, ein Fundament, ermögliche mir so neue Wege.
Es ist nicht immer leicht das durchzuhalten. ‘Du bist so stark, du hast doch schon so viel erreicht. Du wirst_dieses_Problem auch (alleine) bewältigen, da bin ich sicher’, hörte ich vor einer Weile, als ich mich zutiefst nach Unterstützung sehnte. In solchen Momenten wünsche ich mir manches Mal, schwächer zu sein. Mir sagt man eher ‘Reiß dich zusammen’ als ‘Ich bin für dich da!’. Starke Menschen lässt man alleine, den Schwachen hilft man.
Allseits eine gute Zeit wünscht
Nell
Guten Tag,
wenige Monate später bin ich um eine Erkenntnis reicher:
Manche Erlebnisse/Erfahrungen brauchen ein Plus an Zeit, um *wirklich* vollends verarbeitet werden zu können. In der Vergangenheit habe ich manches verdrängt. Das schien zwar für den Moment angemessen, um den Blick nach vorne richten zu können, erwies sich retrospektiv jedoch als falsch, nagte doch mein Scheitern immens an mir. Wie gelangte ich zu dieser Erkenntnis?
Ich befinde mich derzeit auf Stellensuche. Vor einigen Wochen erhielt ich eine Einladung für ein Vorstellungsgespräch, die ich dankend annahm. Nach entsprechender Vorbereitung zog ich los, die Unterlagen unter dem Arm und in der Gewissheit, dass sich das Blatt nur zum Guten wenden könne. Irrtum! Meine inneren Zweifel bahnten sich ihren Weg, ich war weder souverän noch kompetent oder eloquent… Nie zuvor habe ich mich dermaßen schlecht verkauft.
Dieses Erlebnis rüttelte mich wach. Eine Woche lang weinte ich nur – weg, weg, weg mit all den destruktiven Dingen in mir. Hernach überarbeitete ich meine Bewerbungsunterlagen, ließ sie seitens eines Vermittlungscoachs prüfen, griff dessen Anregungen auf, erstellte eine SWOT-Analyse & arbeitete an meiner inneren Einstellung.
Vier Wochen und zwei Vorstellungsgespräche später betrachte ich mich aus liebevollerem Blickwinkel und nehme meine Schwächen an. Noch ertappe ich mich in vielen Augenblicken dabei, alten Gedankenmustern nachzuhängen. Bis sich meine neuen Gewohnheiten etabliert haben, gehen sicher noch einige Tage ins Land, doch das nehme ich gelassen.
Freundliche Grüße
Nell
Das hört sich nach einem langen Weg an, den du da schon hinter dir hast. Mit Höhen und Tiefen. Doch ich finde es wunderbar, wie du die ganze Sache angehst und für dich selbst dran bleiben kannst.
Unterstützung in Anspruch zu nehmen ist oft so wohltuend und doch schiebt man es zuerst hinaus. Auch ich musste erst hart lernen, dass man nun nicht alles allein schaffen kann und dass es völlig in Ordnung ist, sich Hilfe zu holen.
Auf deinem weiteren Weg wünsche ich dir viel Erfolg!