Als ich diesen Text schreibe, bin ich mitten in einem Selbst- und Zeitmanagement Seminar. Im Haus Werdenwels findet 2x im Jahr eine Woche lang dieses Seminar statt, das ich inzwischen zum größten Teil gestalten darf.
Wir landen im Seminar immer sehr schnell bei der Erkenntnis, dass es Zeitmanagement eigentlich nicht gibt, sondern nur Selbstmanagement. Vieles haben wir nicht in der Hand, sondern es werden uns Termine von außen vorgegeben, Unvorhergesehenes passiert und dann liegt es an uns, wie wir damit umgehen.
In der Hand haben wir, wie wir reagieren, was wir sagen, was wir tun und was wir denken. Damit einen all das Äußere nicht überrollt, ist es wichtig mit sich selbst und mit seiner Zeit in guter Verbindung zu bleiben.
Wie macht man das? Wie bleibt man mit seiner Zeit in gutem Kontakt und in guter Balance?
In dem man achtsam mit ihr und mit sich umgeht.
Was du in deine Planung einbeziehen solltest
Das bedeutet konkret, dass man in die Zeitplanung Dinge einbezieht wie:
- Mittagspause zu machen, in der wirkliches Essen gesessen und nicht die Wurstsemmel neben dem PC rein gestopft wird
- Offline-Zeiten – ja, aus meiner Sicht ist es unerlässlich sich ganz bewusst regelmäßig von der digitalen Welt auszustöpseln
- Arbeitsende festlegen – die Arbeit hört nie auf. Wir könnten rund um die Uhr arbeiten, daher ist es so wichtig einen ganzen bewussten Zeitpunkt zu setzen, an dem man aufhört zu arbeiten und den Tag beschließt.
Das sind Beispiele für Routinen, die in die tägliche Planung übergehen sollten, um die eigene Zeit immer wieder in den Blick zu nehmen. Davon gibt es noch jede Menge mehr, doch diese drei sind ein sehr guter Anfang.
Full stop
Man kommt ganz schnell in ein anderes Denken über Zeit, wenn man hautnah erlebt, dass das Leben keine unendliche Geschichte ist.
Ich hab in den Wochen nach dem Tod meiner Mama, mit unerklärlichen Herzbeschwerden, Atemnot und Herzrhythmusstörungen zu kämpfen gehabt. Bin in der Nacht aufgewacht, hab gespürt, dass etwas in mir ganz und gar nicht in Ordnung ist und hab versucht damit irgendwie zurecht zukommen.
Das hab ich nicht immer hingekriegt und musste einmal sogar den Notarzt rufen. Ich hatte Todesangst in diesen Stunden.
Das Leben ist so fragil. Wir denken oft, dass wir unendlich so weitermachen können, dass es einfach läuft und wir gar nicht groß darüber nachdenken, mit welcher Geschwindigkeit wir uns durch unsere Tage hetzen.
Oft reißt uns erst eine extreme Situation aus unserem Trott. Wenn wir Glück haben, setzen wir dann Erkenntnisse daraus ins Leben um.
Zeit ist unwiederbringlich
Bei mir ist es nun nicht so, dass ich gehetzt durch’s Leben renne. Ich wäre ja eine schlechte Trainerin für Selbstmanagement, wenn ich im Hamsterrad wohnen würde, Wasser predige und Wein trinke.
Doch mir wurde durch diese Episode in meinem Leben nochmals mehr bewusst, dass Zeit das einzige ist, auf das wir achten sollten.
Wie wir sie verbringen, wie wir sie verschwenden und dass sie das ist, was wir niemals zurückholen können.
Zeit ist unwiederbringlich vorüber, Zeit lässt sich nicht ansparen, Zeit ist kein Gut, das ich kaufen kann. Zeit macht uns alle gleich.
Zeit ist das was wir wahrnehmen oder versäumen, während wir beschäftigt sind alles aus unserem Tag zu quetschen.
Gehetzt fühlen entsteht durch hetzen
Vieles von dem was wir als beschleunigte Zeit erleben, ist hausgemacht. Wir fühlen uns gehetzt, weil wir hetzen. Das was wir in aller Eile tun, ist das was uns in einen gehetzten Modus versetzt.
Es liegt an uns zu bremsen, innezuhalten und Geschwindigkeit zu reduzieren.
Manche sagen an dieser Stelle: Ich kann nicht, es ist zu viel zu tun. Doch stimmt das wirklich? Was passiert, wenn wir jetzt ausfallen z.B. krankheitsbedingt? Dann bleibt erst mal alles liegen. Hat das Konsequenzen? Klar, meistens hat es das.
Sind diese Konsequenzen ganz fürchterlich? In den seltensten Fällen. Tatsächlich passiert meistens viel weniger als wir fürchten. Sich immer wieder klar zu machen, dass die wenigstens von uns Gehirn-OPs machen und die meisten Sachen viel weniger wichtig sind, als wir denken, hilft zu entschleunigen.
Wo ist dein Ruhepol in dieser Woche? Hast du Ankerzeit in deinen Wochen eingeplant?
Ankerzeit ist Zeit, um zur Ruhe zu kommen und dich wieder in deinem Leben zu verankern. Im Gegensatz dazu wie ein Blatt vom Wind der gefühlten Ansprüche und Erwartungen getrieben zu werden.
Effizienz ist nicht das Ziel
In unserem Seminar gibt es Mittagspausen die sind 3 Stunden lang. Das Seminar dauert eine ganze Woche. Der Mittwoch Nachmittag ist frei.
Warum das alles?
Das könnte man doch straffen und viel kürzer machen? Wäre doch viel effizienter. Genau deswegen. Weil wir auf Selbstmanagement schauen und nicht auf Effizienz
Das heißt, endlich mal jeden Tag ausruhen können. Auch mitten am Tag. Einen halben Tag nur für sich zur freien Verfügung zu haben ohne Programmpunkte die abgearbeitet werden müssen.
Die meisten Seminarteilnehmer:innen legen sich tatsächlich in der langen Mittagspause hin. Manchmal aus dem Impuls heraus, dass sie sonst nicht wissen, was sie machen sollen.
Wiederum die meisten sind nach dieser ersten Mittagspause so viel besser gestärkt am Nachmittag, dass sie sich schon auf den nächsten Mittag freuen um wieder so ausruhen zu können.
Vorteilhaft ist, dass das Seminarhaus am Waldrand am Ende einer Straße liegt. Da gibt es keine Ablenkungen. Man kann Waldspaziergänge machen, die Waldkapelle besuchen, doch das war’s. Es gibt keine Läden zum Einkaufen, keine Innenstadt mit tausend Ablenkungen, sondern einfach nur das Seminarhaus.
Manchmal ist das gar nicht so einfach, in dieser Stille und Ruhe zu sein. Bei manchen kommt die eigene Nervosität dabei erst so richtig zum Vorschein. Doch es ist eine Umgebung, die sehr schnell hilft runter zukommen.
Ja, das ist eine Auszeit. Ja, ich muss dann wieder in mein normales Leben zurück. Ja, es ist meine Aufgabe, diese Ruhe auch in mein normales Leben zu integrieren.
Halt deine Zeit fest
Wer den Kontakt zu seiner eigenen Zeit verliert, wird irgendwann aufwachen und feststellen, dass das meiste seines Lebens vorbei gerauscht ist.
Möchtest du dem entgehen, dann kann ich dir empfehlen anzufangen, deine Erlebnisse festzuhalten.
Mit nur wenigen Worten kannst du deinen Tag einfangen. Momentaufnahmen aufschreiben, an die du dich von heute erinnerst. Schriftlich nachdenken darüber, was dir heute alles begegnet ist und was das mit dir gemacht hat.
Dieses bewusste Reflektieren am Ende deines Tages kann dazu führen, dass dir als erstes auffällt, dass es zwar viel Geschäftigkeit in deinem Tag gab, aber diese sich leer anfühlt. Nichts was davon bleibt. Kein Eindruck, kein Wahrnehmen, kein Kontakt, kein Wort, nichts.
Doch dein Leben besteht aus so viel mehr als Aufgaben erfüllen, dort und da hin fahren, gefühlt hunderte eMails zu schreiben und anderen Kleinsch… abzuarbeiten.
Weißt du noch, was dein Leben ist? Über diese ganzen vielen kleinen und großen Dinge hinaus, die uns zu fesseln scheinen?
Wenn du es nicht mehr weißt, ist es höchste Zeit innezuhalten. Die Unruhe in dir wahrzunehmen, die Leere wahrzunehmen, das andauernde Geplapper im Kopf wahrzunehmen. Denn hinter all dem steckt dein Leben.
Wir sind so beschäftigt, das wir diese Verbindung zu uns verloren haben.
Sei da
Wie fühlt sich das an, jetzt du zu sein? Was ist beherrschend in dir? Wo geht deine Sehnsucht hin? Für was wünscht du dir Zeit? Wie möchtest du deine Lebensstunden gern verbringen?
Ja, das sind große Fragen. Doch wenn wir nicht beginnen sie zu stellen, dann wird unser Leben vergehen, ohne dass wir es gelebt haben.
Wie du deine Tage verbringst, so verbringst du dein Leben. Wie du im Kleinen handelst, bestimmt die großen Dinge in deinem Leben.
Unser Leben passiert in Momenten. Das sind die kleinen Einheiten, die wir bewusst wahrnehmen können. Wir haben nur das Jetzt. Das was jetzt ist.
Mit der eigenen Zeit fließen
Ich kann es kaum greifen, um es in die richtigen Worte zu fassen.
Doch mein Leben, das jetzt während ich diese Zeilen schreibe passiert, ist Leben das mich erfüllt.
Die Zeit die ich mit dem Tippen der Buchstaben verbringe, ist Zeit die ich anwesend bin. Ich bin da.
Meine Finger bewegen sich über die Tastatur. Die Gedanken fließen von meinem Kopf über die Fingerspitzen in schwarze Zeichen über, die sich als Buchstaben auf dem Bildschirm zeigen.
Meine Gedanken galoppieren, meine Finger kommen kaum mit. Alles entfaltet sich. Oft weiß ich gar nicht, wo mich ein Artikel hinbringen wird. Es ist wie Magie.
Ich lese mir später die Texte durch und kann nicht mehr sagen, woher das kam. Es war einfach da. Es floss durch meine Finger in die Welt.
Das gelingt, weil ich meine Zeit bewusst dafür verwende. Auch wenn ich müde bin, schreibe ich im November jeden Tag. Auch wenn es heillos spät ist und ich am nächsten Tag aufstehen muss, schreibe ich.
Und weil ich diese Zeit im November jeden Tag meinem Schreiben widme, entstehen dadurch Sonntagsimpulse die genau die Qualität haben, die ich mir wünsche. Weil ich diesem Schreiben bewusst meine Zeit widme. Genau das will ich mit meiner Zeit tun in diesem Moment.
Ein ganzes Leben, einen ganzen Tag so bewusst zu verbringen, ist die hohe Schule und gelingt wohl nur wenigen Menschen.
Doch wir können an jedem Tag entscheiden, welche Zeiteinheit wir davon ganz bewusst verbringen wollen. Unser Leben gestalten heißt, es über unsere Zeit wahrnehmen in dem was wir tun.
In guter Verbindung mit meiner Zeit sein, macht mich zufrieden. Meine Zeit zu formen, zu planen und zu füllen, ist der Reichtum den mir keiner nehmen kann. Jede Entscheidung die dazu führt, dass ich mit meiner Zeit gut in Kontakt bin, ist ein Moment des wirklichen Daseins, ein Lebendigsein, ein Erkennen dessen, dass jeder Moment ein Geschenk ist.
Deine Zeit ist dein Schatz
Sich des eigenen Todes bewusst zu sein, die Klarheit immer mehr zu bilden, dass unser Leben endlich ist und daher dieser Moment das Kostbarste ist, das wir haben, macht das Leben präzise und kristallklar.
Das Wasser des Lebens fließt so oder so. Ob du nun bewusst daran teil hast oder nicht. Und es wird eines Tages versiegen. Ob dir das gefällt oder nicht.
Wenn es immer mehr beginnt zur verrinnen, kannst du nicht zur Quelle zurückkehren. Du kannst immer nur mit dem Fluss mitgehen, wie er sich zeigt.
Sollte es da nicht oberste Priorität haben, dieses Fließen bewusst zu erleben? Mit jeder Welle mit zugehen, ohne sie brechen zu wollen? Die seichten, trockenen Phasen durchzustehen und den hinab stürzenden Wasserfall mutig zu erleben?
Heute ist dein Leben da. Hier liegt es vor dir in seiner ganzen Pracht und Herrlichkeit. Greif es mit beiden Händen und sei da. Verbinde dich mit deiner Zeit.
Deine Zeit ist dein Leben. Wie sie sich dir auch zeigen mag. Fließe mit ihr. Verschwende sie nicht. Spüre sie wie deinen Herzschlag. Er wird eines Tages enden und damit deine Zeit.
Doch jetzt bist du da.
Jetzt bist du da.